Tauchunfälle (Eine Statistikauswertung der BSAC-Tauchunfallstatistik)

von Peter Rachow (1999)

Nachfolgend soll eine Auswertung der BSAC-Unfall-Statistik unter besonderer Berücksichtigung einer möglichen Korrelation von Tauchtiefe und Unfallhäufigkeit und Unfallschwere vorgenommen werden.

Inhalt

1. Erläuterung der Problemstellung
1.1 Einschränkungen und Unzulänglichkeiten des verwendeten Datenmaterials
2. Betrachtung der tödlichen Tauchunfälle
3. Dekompressionsunfälle
4. Verletzungen/Krankheiten
5. Boots- oder Oberflächenunfälle
6. Unfälle beim Aufstieg
7. Menschliches Versagen
8. Technisches Versagen
9. Fazit

1. Erläuterung der Problemstellung

In einer Aufstellung der BSAC über Unfälle beim Sporttauchen für das Vereinigte Königreich (Großbritannien und Nordirland) werden für die Jahre 1995 und 1996 insgesamt 313 Vorfälle aufgeführt. Hierbei werden alle Arten von Unfällen genannt, die vor, während oder nach taucherischen Aktivitäten gemeldet oder anderweitig (z.B. durch Pressemitteilungen) bekannt wurden. Es handelt sich somit nicht nur um „reine“ Tauchunfälle, sondern auch um tauchbezogene Ereignisse.

Die Relevanz der Unfälle erfährt dadurch naturgemäß unterschiedlichste Ausprägungen. Die Spannweite reicht vom gebrochenen Zeh infolge einer einem Taucher auf den Fuß fallenden Tauchflasche bis hin zum tödlichen Unfall infolge Panikaufstieg.

Zuerst war es daher nötig, einen Bewertungsmaßstab zu finden, um die für die Problemstellung relevanten Unfälle zu ermitteln. Um die zahlreichen in der Aufstellung genannten als relativ irrelevant für die Untersuchung anzusehenden Vorfälle von den bedeutsamen Tauchunfällen zu trennen, wurde definiert, dass ein Vorfall dann als auswertungserheblicher Unfall bzw. Fehlverhalten gelten soll, wenn im Verlauf der Unfallhandlung Personen verletzt wurden oder das taucherische (Fehl-)Verhalten potenziell gefährlich oder gefährdend war. Und zwar ohne dass es im letzteren Falle zu weiterreichenden Folgen kommen mußte. Als Fehlverhalten wurden also alle Handlungen gewertet, die zur Schädigung von Personen führten oder hätten führen können.

So blieben von 313 Vorfällen noch 252 übrig, welche als Untersuchungsdaten verwertet wurden.

1.1 Einschränkungen und Unzulänglichkeiten des verwendeten Datenmaterials

Zusätzlich muß gesagt werden, daß eine Auswertung der Tauchgänge nach deren Unfallschwere in Korrelation mit der maximalen Tauchtiefe beim vorhandenen Material schwierig ist, weil sowohl die maximale Tauchtiefe als auch die Tiefe, in der sich ein Unfall jeweils ereignete, in vielen Fällen nicht dokumentiert sind. In den vorliegenden Daten sind 21 Tauchgänge von 252 Tauchgängen insgesamt gesichert tiefer als 40 m gewesen (entspr. 8%), der tiefste führte dabei auf 62 m.

2. Betrachtung der tödlichen Tauchunfälle

Von den 252 untersuchten Fällen im genannten Zeitraum waren 16 (entspr. 5%) letal.

Bei den tödlichen Unfällen gibt es nur 2 Unfälle mit direktem Ertrinken als Todesursache. Ein Fall der besonders bizarr ist, sei exemplarisch genannt: Ertrinken an der Wasseroberfläche beim Versuch einen neuen Trockentauchanzug auszuprobieren.

Weitere Ursachen für den tödlichen Ausgang eines Tauchgangs waren in 4 Fällen gravierende akute gesundheitliche Störungen (ein akuter Myocardinfarkt, ein Fall von Bewußtlosigkeit unbekannter Ursache unter Wasser, ein akutes Leberversagen infolge falsch positioniertem und überschweren Bleigurt, einmal vermutlich Medikamenteneinwirkung)

In den Fällen, in denen die Unfallursache keine plötzlich auftretende körperliche Fehlfunktion wie in den vorher genannten Beispielen war, konnte stets eine Kombination von mehreren Ursachen unfallauslösend wirken: In 4 Fällen war technisches Versagen die Ursache, kombiniert entweder mit dem Verlust des Partners oder Fehlern bei der Durchführung der Wechselatmung bzw. eines Notaufstieges. In einem anderen Fall Trennung vom Partner und Einschwimmen in eine Abwärtsströmung. In 2 Fällen traten jeweils Kombinationen auf von Geräteausfall, Luftmangel und Verlust des Partners.

Ein weiter Fall mit letalem Ausgang ist wahrscheinlich auf das Tieftauchen mit erhöhtem Sauerstoffanteil (Nitrox) in eine Tiefe von 62 m zurückzuführen.

3. Dekompressionsunfälle

Die überwiegende Mehrzahl der ausgewerteten Unfälle sind überraschenderweise Dekompressionsunfälle. Hier wurden 83 Vorfälle registriert, entsprechend 33% der gesamten in dieser Untersuchung nach der vorher definierten Methodik ausgewerten Vorfälle. Diese auf den ersten Blick hohe Zahl relativiert sich jedoch, weil die meisten dieser Unfälle lediglich zu einer DCS vom Typ I führten und erkennbare Spätschäden in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht festgestellt bzw. nicht dokumentiert wurden.

Es werden nachfolgend die in britischen (Nordsee, Irische See, Inlandseen) und anderen Gewässern dokumentierten Fälle ausgewertet.

Häufigste Ursache für das Auftreten von DCS nach dem Tauchgang waren unkontrollierte Notaufstiege bzw. das Auslassen von einer oder mehreren Dekompressionsstufen oder im schlimmsten Falle der ganzen Dekompressionsphase. Hauptursache hier waren Luftmangel und mangelnde Beherrschung der Ausrüstung, insbesondere der Trockentauchanzüge. Trockentauchanzüge scheinen besonders häufig für unkontrollierte Aufstiege verantwortlich zu sein, weil viele Taucher mit der Tarierung und dem Bedienen der Ventile Schwierigkeiten zu haben scheinen, besonders wenn zusätzliche Stressoren in Form von Problemen auftreten.

Die überwiegende Mehrzahl der Dekompressionsunfälle tritt nach Tauchgängen in Tiefen zwischen 20 m und 39 m auf (18 Vorfälle) gegenüber 9 Fällen, die tiefer als 40 m führten. Einschränkend muß gesagt werden, daß für eine gewisse Anzahl dekompressionspflichtiger Tauchgänge mit nachfolgendem Unfall keine maximale Tiefe angegeben wurde, so daß hier die Untersuchung und Auswertung lückenhaft bleiben müssen.

Von den Dekompressionsunfällen war keiner tödlich, und nur ein sehr geringer Anteil der Patienten war nach einer Druckkammerbehandlung nicht vollständig wiederhergestellt. Nur 1 Tauchgang (43 m max. Tiefe) mit unzureichender Dekompression führte zu Paralysen von der Hüfte an abwärts. In der überwiegenden Mehrzahl der Dekompressionsunfälle mit anschließender hyperbarer O 2 -Behandlung ist eine vollständige Wiederherstellung des Gesundheitszustandes (full recovery) der Patienten dokumentiert.

Häufig traten DCS-Fälle nach gravierend von der Regel abweichenden Tauchgangsprofilen auf (z.B. exzessives Varieren der Tauchtiefe in kurzen Zeitabständen, also sog. JoJo-Tauchen ) bzw. nach längeren Phasen, in denen mehrere Tauchgänge an einem Tag absolviert wurden, bzw. nach „Non-Limit“- Tauchen (z.B. nach 5 Tagen bei 2 TGs/Tag, bzw. nach 1 Tag mit 3 TGs). Auch ist ein Fall dokumentiert, in dem der 2. Tauchgang deutlich tiefer als der erste führte.

Die insgesamt sehr hohe Anzahl an Fällen in dieser Kategorie ist möglicherweise auch auf die in häufig prophylaktisch angewandte Druckkammerbehandlung zurückzuführen. Es ist beobachtbar, dass (wie erwähnt) die meisten Fälle keine Spätfolgen zeitigten und generell in diesen Fällen von einer vollständigen Wiederherstellung (complete recovery, full recovery) der Patienten gesprochen wurde.

4. Verletzungen/Krankheiten

Neben der im vorigen Abschnitt behandelten DCS traten folgende weitere gesundheitlichen Probleme als Folge taucherischen Fehlverhaltens oder körperlicher Defizite auf

  • Barotraumen des Ohres teilweise mit Ruptur des Trommelfells (5 Fälle) infolge mangelnder Beherrschung bzw. Durchführbarkeit des Valsalva-Manövers oder anderer adäquater Druckausgleichsmethoden.
  • Blutaustritt aus der Nase bzw. Ohr (2 Fälle)
  • Bewußtlosigkeit während und nach dem TG (1 Fall)
  • Hypothermie (Unterkühlung, 1 Fall)
  • CO 2 -Vergiftung (1 Fall)
  • Frakturen von Füßen und Zehen (2 Fälle)
  • Kopfverletzungen durch Aufspringen auf bereits im Wasser befindliche Tauchpartner (2 Fälle)
  • Asthmaanfall (1 Fall)
  • Allgemeine Erschöpfung (1 Fall)
  • Schiffschraubenverletzungen (2 Fälle)

Für die Unfallursache N 2 -Narkose werden 2 Fälle genannt, entsprechend 1% der insgesamt betracheten Vorfälle. Beide Fälle endeten aber nicht tödlich.

5. Boots- oder Oberflächenunfälle

Häufigst genannter Punkt in dieser Kategorie waren Maschinenschäden an den Booten, die wir aber nicht als Unfälle im engeren Sinne bewerten können, wie bereits in der Einleitung gesagt.

An erster Stelle der relevanten Schwierigkeiten ist hier das Abtreiben der Taucher vom Bootsankerplatz zu nennen, wofür häufig Strömung oder Gezeiten die Ursache waren. Alle vermissten Taucher konnten aber früher oder später wieder aufgefunden werden. Das Gefährdungspotenzial war bei diesem Problemkreis eher gering, nur in einem Falle gerieten Taucher beim Auftauchen in das Fahrwasser großer Schiffe und erzwangen dadurch ein Ausweichmanöver einer größeren Personenfähre. Von insgesamt 99 Fällen in dieser Kategorie (Boots- oder Oberflächenunfälle) entfielen 28 auf Abtreiben oder Desorientierung im Wasser verbunden mit ungeplanter Nicht- Rückkehr zum Ausgangspunkt des Tauchgangs. (28%)

6. Unfälle beim Aufstieg

Häufigst genannter Punkt hier war das Nichteinhalten der Auftsiegsgeschwindigkeit.

Diese Unfallart spielte in allen Unfallkategorien eine Rolle. Bei den insgesamt 252 Fällen wurde zumindest in 27 Vorfällen (enstspr. 11%) die empfohlene Aufstiegsgeschwindigkeit deutlich überschritten.

Die Ursachen für dieses Versagen sind vielfältig. Zum einen wurde häufig technische Probleme genannt. Hier waren insbesondere die Ablass-Ventile der Trockentauchanzüge die Ursache, bei denen entweder Bedienfehler vorlagen, oder z. B. der Ablass von innen durch den Unterzieher im Trockentauchanzug verstopft war, so daß die Luft nicht oder nur verzögert aus dem Anzug herausgelassen werden konnte.

Eine weiterere Ursache für zu schnellen Aufstieg war in 4 Fällen der plötzliche Verlust des Bleigurtes und das Unvermögen diese Situation zu beherrschen.

Bei diesen Fehlern wurden auch häufig die notwendigen Dekompressionstopps aus naheligenden Gründen nicht eingehalten, was aber nur in geringen Anzahl der Fälle zum Auftreten einer massiven DCS führte.

Auch die in England häufig benutzte Aufstiegs- oder Markierungsboje (SMB = surface marker bouy) führt zu vielen Unfällen. Sie wird in der Regel am Ende des Tauchgangs zur Oberfläche hochgelassen, um Schiffe zu warnen oder dem Tauchboot zu signalisieren, wo die Gruppe auftauchen wird. Häufig haben sich Taucher in der sich entrollenden Leine verfangen und sind mit der Boje hochgezogen worden (5 Fälle)

7. Menschliches Versagen

Wichtigste Ursache hier ist der Luftmangel am Ende des Tauchganges. Er trat in 20% der Fälle von den durch taucherisches Unvermögen verursachten Problemfällen (5 von insgesamt 24 Fällen in dieser Kategorie) auf.

Weitere gravierende Fehlleistungen in diesem Bereich waren

  • Zu wenig oder zu viel Blei, Verlust des Bleigurtes (siehe Abschnitt 6), Tarierprobleme (4 Fälle von 24)
  • Unzureichende Dekompressionsphasen (oft wegen des bereits beschriebenen Luftmangels (siehe Abschnitt 3))
  • Panik und fluchtartiges Aufsteigen (2 Fälle)

8. Technisches Versagen

Hauptursache in dieser Kategorie war Versagen des Atemreglers. Die Fälle hier verteilen sich folgendermaßen:

  • Abblasen des Reglers (8 Fälle), teilw. mit erheblichem Luftmangel als Folge
  • Automat gibt keine Luft (2 Fälle)
  • Abreißen des Mundstücks infolge Materialzersetzung durch Überalterung

Auch Trockentauchanzüge erwiesen sich wie bereits erwähnt als sehr störanfällig. Hauptfehlerquellen hier waren, wie bereits erwähnt die Ventile, und hier primär die Auslässe, die sich entweder nicht öffneten oder verstopft waren. Die Lufteinlässe waren weniger häufig von Störungen betroffen.

Ein falsch montiertes Do-It-Yourself-Ventil in einer Pressluftflasche führte beim Herausschießen aus der Flasche während des Füllvorgangs zu schwersten Kopfverletzungen ebenso wie eine während des Füllens explodierende Flasche in einem anderen Fall.

In 2 Fällen führte alte bzw. schlecht gewartete Tauchausrüstung während des Tauchens zu Problemen, in einem Falle zu einem tödlichen Ausgang.

9. Fazit

Wenn gemeinhin für das Tieftauchen verschiedene Begleiterscheinungen angesehen werden (plötzlicher Tod, N 2 – Narkose, Dekompressionsunfall), so kann die vorliegende Untersuchung und deren Auswertung dies nicht bestätigen.

  • Von den 16 tödlichen Unfällen führte nur einer in eine Tiefe größer als 40m (ein Nitrox-TG auf 62m).
  • Von 83 Deko-Unfällen waren 9 TGs tiefer als 40m, 18 Unfälle fanden in der gemeinhin als sicher bezeichneten Tiefe bis 40 m (zwischen 20 und 39 m) statt.
  • Bei 2 TG zeigten die Taucher Symptome von N 2 -Narkose. Diese beiden waren insgesamt deutlich tiefer als 40 m. Tödlich war jedoch keiner dieser Unfälle.

Nach der vorliegenden Auswertung kann Tauchen in Tiefen unterhalb 40 m nicht als extrem risikobehaftet gelten. Wenn bei Tauchgängen in diesem Tiefenbereich Taucher mit Problemen konfrontiert wurden und sich gefährliche Situationen ergaben, war die Ursache des Unfalls stets multifaktoriell. Verlust des Tauchpartners und simultanes Auftreten von technischen oder gesundheitlichen Problemen ist beispielsweise eine häufige Ursache.

Extreme Tieftauchgänge mit Pressluft (tiefer als 80m) waren nicht Gegenstand der Untersuchung. Da bei diesen Tauchtiefenbereichen davon auszugehen ist, daß das Risiko gefährlicher bzw. tödlicher Unfälle exponentiell zunimmt, können hierzu auch keine verlässllichen Aussagen interpolierender Art gemacht werden.

Keinesfalls gesichert kann nach Auswertung des Materials die These werden, daß Tauchgänge in Maximaltiefen geringer als 40m sigifikant sicherer sind als solche unterhalb dieser Grenze. Dazu war die Anzahl der gefährlichen Unfälle an oder in der Nähe der Oberfläche deutlich zu hoch. Auch was den Schweregrad dieser oberflächennahen Unfälle anbelangt, kann nicht davon gesprochen werden, daß eine geringere Tauchtiefe ein ebenfalls linear vermindertes Risiko impliziert.

Weiterhin zu leisten wäre indes eine Sichtung des gesamten von der BSAC erhobenen Materials, also den Einschluß aller Jahrgänge von 1990 bis heute, um die Datenbasis zu verbreitern und die Untersuchung besser abzusichern.

(C) Peter Rachow (Jan. 1999)

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Gefährlicher Taucherleichtsinn – Abenteuerlust und Inkompetenz im Doppelpack

Dieser Bericht behandelt eine nicht ganz ungefährliche Tauchsituation in einem Tauchurlaub, die durch Leichtsinn, Unkenntnis und taucherisches Unvermögen verursacht wurde. Und es wird erklärt, wie diese kritische Situation durch einfaches Nachdenken und optimiertes Handeln leicht hätte vermieden werden können.

Ort: Das Rote Meer, Tauchbasis „Seahorse Diving Center“ in Hurghada, Zeit: Im Oktober 2010.

(C) 2010-2014 Peter Rachow

Update 2014: Die Basis hat dieses Jahr einen neuen Eigentümer und es sieht nun ziemlich nach „PADI-Diving vom Feinsten“ aus. Ob individuelles Tauchen für erfahrene, höher brevertierte Taucher noch möglich ist, muss man selbst herausfinden bzw. erfragen. Ich machte dieses Jahr dort nur 4 Tauchgänge ohne einen eigenen Tauchpartner dabei zu haben. Insofern kann ich keine valide Aussage zum Problem der aktuellen Basenpolitik machen. Der nachfolgende Text kann als u. U. nicht mehr die reale Situation reflektieren.

Das Seahorse Diving Center, wo wir diesmal unseren Tauchurlaub verbrachten, wurde mir von einem anderen Taucher aus meinem Bekanntenkreis empfohlen, weil man dort relativ unabhängig tauchen könne, wie er sich ausdrückte. Sie lässt von Diveguides unabhängiges Tauchen zu, wenn Taucher ausreichend brevetiert sowie erfahren sind und nach einem Überprüfungstauchgang mit einem Basenmitarbeiter daher in der Lage erscheinen, eigenverantwortlich zu tauchen. Es werden dabei in Absprache mit den Gästen auch Riffe angefahren, die größere Tauchtiefen an Steilwänden und Drop-Offs ermöglichen. Der Guide betreut dann die weniger erfahrenen Taucher, die erfahrenen Taucher tauchen unabhängig in 2er- oder 3er-Gruppen.

Die maximale Tauchtiefe auf dieser Basis ist auf 40 Meter begrenzt. Ob eine derartige Limitierung sinnvoll ist oder nicht, wollen wir an dieser Stelle nicht weiter besprechen, die Frage kann als hinreichend beantwortet gelten. Allerdings wird die Einhaltung dieser Maximaltiefe auf der betreffenden Basis nicht stringent überwacht. Denn schließlich handelt es sich um eine Tauchbasis und keinen Kinderhort.

Vorgeschichte

Eines Abends saßen die Taucher der gerade zu Ende gegangenen Tagesausfahrt nach dem Tauchen noch zusammen und diskutierten verschiedene taucherische Dinge. Eines davon, man ahnt es, war das Thema „Tieftauchen“. Es wurden verschiedene Aspekte des Tauchens in größere Tiefen durchdiskutiert, u. a. das Thema „Tiefenrausch“. Aus meiner mittlerweile über 30-jährigen Taucherfahrung insbesondere mit Tauchgängen in Tiefen über 40 Meter steuerte ich folgende Ansichten bei:

Tieftauchen mit Pressluft ist möglich, wenn

a) eine entsprechende Erfahrung sowie
b) das fundierte Wissen über Dekompressionstheorie und die Beherrschung der entsprechenden Praxis vorhanden sind und
c) eine ausreichende Adaption an die hohen Stickstoffpartialdrücke durch mehrfache in kurzen Zeiträumen aufeinanderfolgende sich in der Tiefe steigernde Tauchgänge aufgebaut wurde.

OK, soweit, so gut…

Es entspann sich daraufhin eine kurzes Gespräch zwischen 2 Mittauchern, nennen wie sie mal „A.“ und „B.“, die offenbar planten, bei der Ausfahrt am nächsten Tag die 50-Meter-Marke erreichen zu wollen. Die spontane Verabredung zu diesem Unternehmen endete in der ebenso naiv wie treuherzig vorgetragenen Aussage von B. die da lautete: „…aber da müssen wir uns schon aufeinander verlassen können.“ Der geneigte Leser wird bereits hier erkennen, dass diese beiden Herren wohl keinerlei grundsätzliche Vorstellung von Planung, Durchführung und potenziellen Risiken eines Tauchgangs in einen solchen Tiefenbereich gehabt haben dürften.

Die Taucherfahrung dieser beiden Tieftaucher in spe sah denn auch so aus: A. hatte ca. 200 Tauchgänge im Log und war, wie ich aus seinen recht umfangreichen Vorträgen der vorangegangenen Tage ablesen konnte, reiner Urlaubstaucher. B. hatte noch weniger Tauchgänge (ca. 100 innerhalb von 20 Jahren!), war aber seit 3 Jahren nicht mehr getaucht und sonst auch nur wenig fit im Tauchen. Beide waren überdies recht starke Raucher, so dass hier auch zusätzlich von einer suboptimalen körperlichen Fitness auszugehen war.

Fehler in Serie

Der Tauchtag

Aufgrund der herrschenden sehr guten Wetterlage wurde morgens beschlossen, dass „Careless Reef“ anzufahren. Dieser Tauchplatz bietet auf seiner Nordwestseite einen bis auf ca. 80 Meter reichenden Steilhang. Der Tauchguide erklärte den Tauchplatz ausführlich und die Gruppen machten sich fertig zum Tauchen. Der Guide selber tauchte mit einer Gruppe von Neulingen. C., mein Tauchpartner, und ich bildeten eine eigene Gruppe. A. und B. ergaben ebenfalls ein Team, wobei A. augenscheinlich als Tauchgruppenführer agieren sollte.

Fehler 1: Wie sie später erklärten, waren die beiden an diesem Tag zum ersten Mal gemeinsam unter Wasser gewesen und kannten sich und die Tauchfähigkeiten ihres Partners überhaupt nicht.

Da ich von der Diskussion am Abend vorher wusste, was A. und B. mutmaßlich planten, erklärte ich C. dass wir uns diesmal entgegen unserer sonstigen Gepflogenheit, uns immer vor allen ins Wasser zu begeben, jetzt den Schluss bilden sollten, so dass A. und B. vor uns tauchen würden und wir ihnen folgen konnten. Der Grund war sehr einfach: Ich hatte den Eindruck, dass die beiden es richtig „krachen lassen“ wollten und es selbstverständlich vermasseln würden. Und ich sollte mich nicht getäuscht haben. Aber davon später mehr.

C. und ich hatten übrigens für den ganzen Basenaufenthalt wohlweislich 15-Liter-Stahlflaschen geordert, weil wir entsprechende Tauchprofile zu tauchen beabsichtigten. Wir hielten uns daher, wo immer möglich, im Bereich um die 40 Meter auf. Und dies auch länger. Da für uns als CMAS***-Taucher Dekompressionstauchen zur normalen Ausübung unserer Sportart untrennbar gehört, waren wir dabei häufig dekompressionspflichtig gewesen. Wir waren somit an hohe Inertgaspartialdrücke zumindest in gewissem Rahmen gewöhnt. Ich selbst hatte in der Woche davor am Walchensee die 50-Meter-Marke mit Luft auch mehrfach durchtaucht und war also noch einigermaßen auf einen hohen ppN2 „geeicht“.

A. und B. waren mit den bekannten „12-Liter“-Aluminiumbehältern ausgerüstet, die aber in Wirklichkeit nur knapp über 11 Liter Inhalt haben (80 Kubikfuß Gas bei 1 bar p.amb. Dieses ergibt komprimiert für die Gasmenge ein Volumen von 11,3 Litern bei 200 bar Fülldruck). Der Druck der Flaschen war dabei immer relativ niedrig, so dass C. und ich unsere Flaschen immer gegen ein kleines Trinkgeld vom Kompressorboy jeweils morgens vor der Ausfahrt nachfüllen ließen. Wir hatten jeweils durch diese Extrabehandlung 220 bis 230 bar in der Flasche. Der „Standarddruck“ der restlichen Flaschen am Morgen ohne diese Maßnahme war dagegen jeweils nur 180 bis 190 bar. So kamen die beiden Aluflaschentaucher A. und B. nur auf eine Ausgangsluftmenge von ca. 62% bezogen auf unseren Vorrat am Anfang des Tauchganges.

Fehler 2: Ein Tieftauchgang mit einer derart unzureichenden Flaschengröße und Füllung ist nicht durchführbar, da eine Luftmenge zwischen 2100 und 2200 Litern niemals ausreicht, die Grund- und Dekompressionszeit für eine Tauchtiefe von 50+ Metern zu erfüllen, zumindest wenn man etwas mehr als einen „Touchdown“ plant.

So mangelhaft vorbereitet und ausgerüstet machten sich die beiden also auf in die Tiefe um die Steilwand des „Careless Reef“ zu erkunden. Wir folgten ihnen dabei in sicherem Abstand. Am Beginn des Steilabstieges orientierte sich die große Tauchgruppe des Diveguides nach rechts, während A. und B. wohlweislich um ihr Tieftauchunternehmen unbehelligt durchführen zu können nach links den Steilhang entlang tauchten und diesen dabei regelrecht hinunterstürzten. Aufgrund der hohen Abtauchgeschwindigkeit der beiden verloren wir sie zeitweilig sogar aus den Augen konnten aber an den aufsteigenden Luftblasen ihre Richtung gut ausmachen.

Fehler 3: Ein Abstieg in eine narkoseträchtige Wassertiefe von 50+ Metern muss langsam und mit ausreichend Adaptionszeit erfolgen um den Einfluss der Stickstoffnarkose zu mildern.

Auf ca. 50 Metern Wassertiefe sahen wir dann A. und B. wieder, allerdings etwas unter uns. Beide waren bereits deutlich und erkennbar vom Tiefenrausch betroffen. Dies war an folgenden Indizien erkennbar:

1. Ihre Körperbewegungen waren nicht koordiniert. A. verharrte nur ruhig im Wasser und berührte dabei mit den Flossen den Grund und stand sonst auf der Stelle. B. schwebte relativ gut tariert bewegungslos links über ihm, war von ihm abgewandt und konnte ihn daher nicht mehr sehen. Man hatte in dieser Phase augenscheinlich 2 Solotaucher vor sich. So sah also das bereits erwähnte „..wir müssen uns aufeinander verlassen können!!!“ vom Vorabend aus.

2. Sie waren beide nicht „ansprechbar“ und reagierten nicht: Das Zeichen „auftauchen!“ (Daumen hoch) beispielsweise wurde mehrfach nicht erkennbar beantwortet. Stattdessen waren die Augen groß, starr und leicht verdreht hinter der Maske zu sehen. Beide wirkten deutlich „weggetreten“. „Hyperbare Apathie“, würde ich sagen. 😉

B. drehte sich nun nach links zum Steilhang hin, entfernte sich dabei zusehends weiter von A. und stieg langsam aber ohne es zu merken nach oben. Die Entfernung der beiden wuchs geschätzt auf über 10 Meter an. Das Zeichen „taucht zusammen“ (Zusammenführen des Zeigefingers der linken und rechten Hand), das ich A., der in meine Richtung blickte, mehrfach eindringlich gab, wurde ebenfalls nur mit einer Nichtreaktion beantwortet. Keine Reaktion, keine Bewegung, keine bezugnehmende Handlung war erkennbar. Diese beiden Taucher, das war uns klar, waren schwerst von einer N2-Narkose betroffen.

Fehler 4: Die beiden Taucher haben versucht, ohne ausreichendes vorheriges Training in größeren Wassertiefen gleich eine sehr große Maximaltiefe zu erreichen.

Nach einiger Zeit reagierten sie dann doch und verringerten den Abstand wobei der weiter oben tauchende B. jetzt aber zum tiefer sich befindlichen A. hinuntertauchte anstatt dass umgekehrt A. höher ging. Durch ihre mangelnde Koordinationsfähigkeit und ihre Desorientierung fielen sie dabei weiter auf über 60 Meter Wassertiefe ab. Da C. und ich an den letzten Tagen vor diesem Tauchgang Tiefen im 40-Meter Bereich mehrfach für längere Zeit aufgesucht hatten und entsprechend angepasst waren, beschlossen wir, den beiden Heldentauchern weiter zu folgen aber nur bis zu max. 65 Metern um uns selbst nicht zu gefährden. Falls die Situation für die beiden unerfahrenen Tieftauchspiranten eskaliert wäre, hätten wir zumindest in gewissen Grenzen eingreifen können. Unser Flaschendruck betrug zu dem Zeitpunkt zwischen 130 und 140 bar. Wir hatten also beide noch jeweils ca. 1900 Liter Luft zur Verfügung.

Nach und nach begannen nun A. und B. aus ihrer Narkose zumindest rudimentär zu erwachen und tauchten langsam höher. Dabei war aber ihre Auftauchgeschwindigkeit allerdings sehr niedrig. Knapp vor Erreichen der 50-Meter-Marke signalisierte A. „noch 100 bar in der Flasche“. Und das war eindeutig zu wenig. Ich kombinierte daher das Zeichen „AUFTAUCHEN!!!“ mit dem Fingerzeig auf mein Finimeter. Wieder kam keine Reaktion.

Fehler 5: Wenn man schon mit viel zu wenig Luft bei einem Tieftauchgang unterwegs ist, sollte man diese für den wichtigen Teil, nämlich die Dekompressionsphase aufsparen. Der Aufstieg auf die erste Dekostufe hat dagegen so zügig als möglich zu erfolgen, notwendigenfalls unter Überschreitung der empfohlenen Aufstiegsgeschwindigkeit zumindest wenn man sich noch unterhalb von 20 Metern Wassertiefe befindet.

A. machte sich bei diesem extrem langsamen Aufstieg sogar noch den „Spaß“ Fotos zu schießen. Allerdings war er immer noch so „breit“ dass er nicht realisierte, dass der Auslöser seiner Billigknipse wegen des hohen Wasserdruckes festgegangen war und das Gerät dadurch gelegentlich spontan von alleine auslöste. Es blitzte jedenfalls munter während das Teil unter ihm hing. Und seine Narkotisierung ging sogar soweit, dass er den äußerst einfachen Zusammenhang zwischen viel zu langsamen Aufstieg, der weiteren Aufsättigung mit Inertgas und unnötigem Luftverbrauch offenkundig rein gar nicht realisierte.

Zwischenzeitlich überließen wir die beiden dann ab 30 Metern Wassertiefe ihrem Schicksal, aus dem Gröbsten waren sie wohl wie wir annehmen konnten heraus. Sie hatten sich nämlich zumindest mit ihren Kinderflaschen nicht auf 80+ Meter befördert.

Die beiden „Tieftauchexperten“ kamen dann nach einiger Zeit denn auch mit vollkommen leerer Flasche am Boot an wo wir bereits dem Ende unserer Dekompressionsphase entgegen „fieberten“ 😉 . Sie ließen sich dann sofort eine Notflasche reichen, mussten dazu aber erst einmal an Deck um die Sachlage zu erläutern und die Flasche vorzubereiten.

Fehler 6: Eine Notflasche lässt man sich in(!!!) das Wasser reichen um a) die Zeit außerhalb des Wassers zu minimieren und b) körperliche Anstrengungen durch das Erklimmen der Bootsleiter zu vermeiden. Diese körperlichen Anstrengungen können das Auftreten einer DCS beschleunigen.

Dabei war wohl die Zeit, die sie außerhalb des Wassers verbrachten so lange, dass sich ihre Tauchcomputer in den „SOS“-Modus schalteten, was sie am Tag darauf auch noch mit einen gewissen Stolz zu erfüllen schien. Nach einer längeren nachgeholten Dekompressionsphase waren sie dann aber gesund wieder an Bord. Überflüssig zu erwähnen, dass sie den Tauchgang am Nachmittag trotz ihres grenzwertigen Gewebestatus auch noch durchführten. So viel offenkundiges Nichtwissen in grundsätzlichen Belangen der Dekompressionstheorie erzeugte dann bei mir noch mehr Kopfschütteln.

Fehler 7: Nach einem Tauchgang mit nachgeholter symptomloser Dekompression und einem daher hohen Aufkommen an Mikrogasblasen besteht mindestens 24 Stunden Tauchverbot.

Nachbereitung

Der Guide war natürlich über dieses überaus dumme und gefährliche Tauchverhalten mehr als erbost. Und dafür habe ich volles Verständnis. A. meinte dann aber ganz cool, es habe doch alles prima geklappt, die Luft hätte ja „fast gereicht“ und überhaupt sei „das ja sehr schlechte Planung“ von Seiten des Tauchleiters, wenn er nicht dafür sorgen würde, dass bei „derartigen Tauchplätzen mit Drop-Offs eine Dekoflasche unter dem Boot“ hinge. Fazit: Schuld sind immer die anderen.

Ich verfolgte diese in meinen Augen sehr sinnlose und von den wahren Ursachen für den Vorfall ablenkenden Diskussion, die auf der Tauchplattform des Bootes stattfand und  beschloss, mich angesichts dieser selten dummen und die Ursache des Problems grob negierenden Darstellungen doch mal verbal einzumischen und intervenierte prompt. So erklärte ich den beiden „Tauchhelden“ dann doch relativ lautstark, dass alleine sie es waren, die aufgrund ihrer Inkompetenz, eine vernünftige Tauchgangsplanung hinzubekommen, den Tauchgang komplett alleine „vergeigt“ hätten und sie bitte die Schuld nicht bei anderen suchen sollten. Gut, A. äußerte zwar daraufhin, ich würde ihn „mobben“, aber damit kann ich leben. ;-))

Er hat sich allerdings später entschuldigt und hat, wie ich einen Tag später sehen konnte, sein Fehlverhalten wohl zum Teil eingesehen und kann hoffentlich bei weiteren Tieftauchgängen seine Schlüsse aus dem gerade noch mal gut gegangenen Vorfall ziehen. Eine kleine Hilfe dazu kann vielleicht dieser folgende Text sein:

http://tauchen-peter-rachow.url.ph/tief.htm

PS: Und von wegen, die Luft „hätte fast greicht“… C. und ich hatten am Ende des Tauchganges nach 60 Minuten noch einen Restdruck von jeweils 40 bar in den Tanks. Das entspricht einer verbrauchten Gasmenge von ca. 2850 Litern. Wie viel Gas man aus einer 11,3-Literflasche entnehmen kann, die von 200 bar auf 10 bar heruntergeatmet wird und wie lange man damit ein relativ identisches und nur nach unten verschobenes Profil tauchen kann, darf nun jeder selbst abschätzen.

PS2: Dieser Vorfall zeigt übrigens mal wieder deutlich, wie „gut“ das von PADI und anderen favorisierte „Buddy-System“ funktioniert. Nämlich gar nicht. Zumindest  dann nicht, wenn der Blinde versucht, den Lahmen zu führen.


Nachtrag: Nach unserem Erlebnis mit den beiden planerisch offenbar vollkommen überforderten Tauchern während des Urlaubes beschlossen wir, diesen Bericht zu verfassen und auf meine HP zu stellen. Da C. aber bei „taucher.net“ regelmäßig mitliest, kam die Idee auf, den Text zusätzlich bei diesem Forum zu posten. Ich hatte dieses Webforum des „modernen“ Tauchsports (die meisten User dürften OWDs oder ähnliches sein) jahrelang nicht mehr verfolgt, weil dort wirklich nur noch Unsinn steht. Aber C. berichtete, was für Typen dort mittlerweile ihren weitestgehend sinnfreien „Diver’s Newspeak“ ablassen würden. Für reichlich Stimmung sollte also gesorgt sein…

Gut, uns beiden war klar, dass es seitens der dort anwesenden „Netztaucher“ ein reges Echo geben würde und dass man sich fast halbtot schrei(b)en. würde und dass nur eines dabei herauskommen wird: Ein fast nicht mehr zu überbietender Blödsinn. Uns war weiterhin klar, dass dort vermutlich kaum 1 oder 2 Prozent der User eine entsprechende taucherische Kompetenz besitzt, eine auch nur halbwegs sachliche und fundierte Stellungnahme abzugeben. Alleine schon deshalb, weil die meisten weder Erfahrung mit Tauchgängen in Tiefenbereiche über 25 Metern haben dürften noch eine Ausbildung die den Namen verdient. OK, das alles wussten wir…

Aber es sollte schlimmer kommen. Viel schlimmer. Denn was wir aber dann dort lesen konnten, war dann doch weitaus grausiger als befürchtet. Eine einzige im 10-Minutentakt herausquellende verbale Eruption voller inhaltlicher Ungeheuerlichkeiten, persönlicher Angriffe und Beleidigungen (z. B. „Trottel“, „krank“), absurdesten Mutmaßungen geäußert von Tauchanfängern und extremer taucherischer Unwissen- und Unerfahrenheit. Und wie sich diese armen Unwissenden gegenseitig in eine Art kollektive Raserei hineinsteigerten binnen weniger Stunden hunderte Beiträge abzufeuern, lässt an deren kognitiver Kompetenz und Selbstkontrolle dann doch erhebliche Zweifel aufkommen.

Manchen dieser „Autoren“ fehlt es dazu ganz offenbar leider auch an einfachsten und elementaren Techniken der Textbearbeitung. Denn sie sind offenkundig nicht einmal in der Lage, einen wirklich einfachen Text mit einem in einem einzigen Strang erzählten Sachverhalt auch nur halbwegs sinnverstehend zu lesen. Man erkennt dies u. a. daran, dass sie Behauptungen aufstellen, etwas in dem Bericht gelesen haben zu wollen, was definitiv nie darin zu lesen stand. Anschließend wird (gerne auch in ausschließlichen Kleinbuchstaben) ein (Gegen-)Text erbrochen, den wirklich kaum ein Mensch lesen und dechiffrieren kann. Dass dieser Verbalerguss dann irgendeinen Bezug mit dem vorstehenden Inhalt haben soll, wäre reiner Zufall.

Besonders absurd wird es, wenn die versammelte Ahnungslosigkeit anfängt, juristisch zu argumentieren. Da werden hypothetisch und vollkommen sinnfrei irgendwelche Rechtsnormen des StGB angewandt um zu zeigen, wie sich die Autoren o. g. Beitrages angeblich strafbar gemacht haben sollen. So z. B. wird einfach ohne weiter nachzudenken von „unterlassener Hilfeleistung“ fabuliert obwohl diese bei einer Selbstgefährdung, wie sie hier vorliegt, überhaupt nicht qualifiziert. Bereits der erste Blick in einen. Strafrechtskommentar zum §323c StGB erklärt, dass freiwlillig und bewusst eingegangene Selbstgefährdung andere vonjeder Hilfeleistung freistellt.

Besonders plakativ ist in diesem Zusammenhang natürlich auch gerne der Ruf nach dem „Staatsanwalt“, der hier in diesem vorliegenden Falle natürlich wahnsinnig viel zu tun hätte. Und auch die gute alte „Garantenstellung“ kommt wieder zum Einsatz, wobei natürlich unbeachtlich bleibt, dass hier seitens der beiden Tauchgruppen keinerlei Gefahrengemeinschaft eingegangen wurde, die eine Vorausetzung für das Bejahen einer Garantenstellung gewesen wäre und dass eine Hilfeleistung natürlich nicht um den Preis der Selbstgefährdung gefordert werden darf. Aber egal: „Reden, schwallen, labern“, das ist „taucher.net“ live, in Farbe und bunt.

Gut, man hätte sich durch eine Netzrecherche sachkundig machen können. Aber wer will sich denn im Forum von „taucher.net“ sachkundig machen? Das ist doch nur zeitaufwändig und erfordert Energie, Einsatz und Gehirn. Und die Tastatur klappert schließlich auch ohne diesen intellektuellen „Input“ recht intensiv.

Von manchem User des „TN“ werden dann auch mangels Wissen einfach Begriffe neu erdacht oder falsch verwendet, Belege für eigene Aussagen fehlen dagegen meistens völlig, Behauptungen muss man auch nicht unbedingt beweisen usw. usw. Aber das alles macht rein gar  nichts, es gilt das Gesetz „HWG“ („Hauptsache was geschwallt“). Falls man zitiert, werden Zitate dann noch zur „Leseerleichterung“ mit eigenem Text bunt durcheinander geworfen damit auch sicher keiner mehr erkennt, wer was (v)erbrochen hat. Und immer wieder merkt man sofort, dass diese Autoren nicht einmal die rudimentäre Fähigkeit des halbwegs akkuraten sprachlichen Ausdruckes besitzen.

Und damit nicht genug: Ein Moderator namens „Andreas“ befleißigt sich noch, sich und seinen angeschlossenen „Tauchexperten“ zu bescheinigen: „Hallo zusammen, insgesamt ist dies doch eine durchaus erfreuliche Diskussion mit nur sehr wenigen Ausrutschern nach unten.“ Na ja, halten wir dem Manne mal zu Gute, dass er selber einer dieser „Tauchexperten“ ist und daher eine gewisse Betriebsblindheit zu seinem Job nolens volens dazu gehört.

Ja, es ist summa summarum einfach ganz entsetzlich. Aber es ist eben „taucher.net“. So wie es seit Jahren ist. Nur schlimmer. Wenn es nicht so zum Weinen wäre, könnte man lachen. Aber es geht nicht.

DER Thread lief unter http://www.taucher.net/forum/Gefaehrlicher_Taucherleichtsinn___wenn_Abenteuerlust_auf_Inkompetenz_trifft__div8278.html

Und hier als krönender Absch(l)uss noch die Mail eines „Taucher.net“-Mitgliedes an meinen Tauchpartner C.:

hallo meiner
beim lesen sind mir so einige dinge aus dem leben hochgekommen… nach den
erstennnnn fehler´n ( flaschen V; gewoehhhhhnungsgeschichtchen;
verantwortunglose duldung des MOEGLICHEN selbstmordes = unterlassene
hilfeleistung) hab ich leider :·((( deine storry verworfen. du tauch´st wie
du sagst LANGE zeit & tief. ein verantwortungvoller TAUCHER taucht so
nicht… schoen von dir NICHT zu hoern!!!

Orthographie: ungenügend. Inhalt unverständlich. Gesamteindruck: einfach nur peinlich. Ich frage mich immer, wie solche Leute überhaupt je einen Tauchschein bestehen konnten. OK, seit man bei bestimmten Anbietern nur noch ankreuzen muss, geht das wohl. :-(((

(C) 2010-2014 Peter Rachow

Peter Rachow Tauchtheorie: Die Mathematik des Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus

Bei den von dem Tauchmediziner Prof. A.A. Bühlmann seit den 60er Jahren an der ETH Zürich entwickelten Dekompressionsalgorithmen mit der Bezeichnung ZH.. (für ‚Zürich‘, z. B. ZH-L16 bzw. das Verfahren ZH-L12) handelt es sich um sog. „Haldane“-basierte Dekompressionsalgorithmen, bei welchen der menschliche Körper modellhaft in eine bestimmte Anzahl repräsentativer Modellgewebe (sog. Kompartimente ) unterteilt wird, mit deren Hilfe dann die eigentlichen Dekompressionsberechnungen durchgeführt werden. Daher bezeichnet man Rechenverfahren dieser Art auch als „Gewebemodelle“ bzw. „Kompartimentmodelle“. Diese Verfahren haben eine weite Verbreitung gefunden und werden heute in vielen Tauchcomputern und Dekompressionsprogrammen bzw. als Grundlage für die Berechnung von Austauchtabellen (Dekompressionstabellen) angewandt.

Die kompartimentorientierten Rechenverfahren basieren i. W. auf zwei Grundannahmen. Man geht davon aus, dass jedes Gewebe des menschlichen Körpers

a) sich unter Überdruck mit einem Inertgas aufsättigt und dabei eine bestimmte Halbsättigungszeit für dieses jeweilige Inertgas besitzt, sowie
b) einen bestimmten Inertgasüberdruck in Relation zum (niedrigeren) Umgebungsdruck symptomlos tolerieren kann.

Erst wenn der Inertgasüberdruck eines Gewebes in Relation zu dem gerade herrschenden Umgebungsdruck (der durch die Tauchtiefe gesetzt wird) zu groß ist, die Gasspannung innerhalb des Gewebes also einen bestimmten Wert im Verhältnis zum Umgebungsdruck überschreitet, treten Gasblasen hinreichender Größe im Körper bzw. dem betroffenen Gewebe auf und es kommt in der Folge zu Symptomen der Dekompressionskrankheit (DCS).

Ziel einer regelgerechten Dekompression ist es demzufolge, während der druckentlastenden Phase eines Tauchganges den umgebenden Druck (p.amb) stets so groß zu halten, dass sich alle Gewebe zu jeder Zeit unterhalb dieser kritischen Schwelle befinden, dadurch regelgerecht entsättigen können und keine Gasblasen signifikanter Zahl und Größe erzeugt werden.

1. Der Dekompressionsalgorithmus ZH-L16

ZH-L16 ist der am weitesten ausentwickelte Dekompressionsalgorithmus aus dem Spektrum der Bühlmannschen Arbeiten. Er ist bestechend einfach und benutzt lediglich 3 simple mathematische Gleichungen um die Dekompressionsgegebenheiten zu ermitteln. Verschweigen darf man allerdings nicht, dass er vom Standpunkt der Mathematik her betrachtet einige (für die Praxis allerdings vernachlässigbare) Schwächen und Unsauberkeiten aufweist, was u. a. auch an der später zu diskutierenden Berechnung der Nullzeiten deutlich wird.

Zur Struktur des Algorithmus:

Die erste der drei genannten Formeln ermittelt, unter welchem Partialdruck das Inertgas aufgenommen wird (inspiratorischer Inertgaspartialdruck, p.i.i.g, p ressure of i nspirated i nert g as). Diese Gleichung ist also die Inspirationsgleichung .

Die zweite errechnet davon ausgehend den jeweiligen Inertgaspartialdruck (Physiker sprechen auch von „Gasspannung“, vergleichbar mit der Aufladespannung eines Kondensators) eines Gewebes ( p.i.g, p ressure of i nert g as, siehe Gl. II). Sie wird auch als Sättigungsgleichung bezeichnet, denn sie bildet den jeweiligen Sättigungszustand eines Gewebes zu jeder Phase des Tauchgangs ab.

Die dritte Gleichung gibt an, welchen äußeren Druck ( p.amb, ambient pressure) ein Gewebe gerade nicht unterschreiten darf, damit keine Gasblasen aus dem Gewebe austreten (siehe Gl. III). Diese Formel berechnet also die gerade noch symptomlos tolerierte Gasspannung des Gewebes im Vergleich zum Umgebungsdruck. Man könnte sie daher auch Toleranzgleichung nennen.

Zusammenfassend ausgedrückt: In die Funktion der Sättigung eines Gewebes mit Inertgas eingehende Größen sind

a) die Tauchzeit (Expositionszeit),
b) die Tauchtiefe (also der daraus abgeleitete Umgebungsdruck p.amb)
c) der Inertgasanteil im Atemgasgemisch und
d) der Umgebungsluftdruck über Wasser, der mit b) zusammen den Gesamtdruck in der Teife ergibt.

Der Umgebungsluftdruck ist nicht vernachlässigbar, weil er auf die Wasserfläche wirkt und daher zum Wasserdruck addiert werden muß. Bedeutung erlangt er daher insbesondere bei der Dekompression, weil nach dem Beenden der Dekompressionsphase weiterhin Inertgas von den Körpergeweben abgegeben wird, die Entsättigung also fortschreitet. Wenn der Umgebungsdruck geringer ist als z. B. der Luftdruck auf Meereshöhe, muss im Wasser länger dekomprimiert werden um die im Gewebe herrschende Gasspannung weiter abzubauen. Dieses Faktum erhält Bedeutung beim Fliegen (herabgesetzter Kabinendruck, ca. 600 mBar) und beim Bergseetauchen.

2. Die Mathematik der Bühlmann-Gleichungen

Sehen wir uns die einzelnen Gleichungen genauer an:

2.1 Berechnung des inspiratorischen Inertgaspartialdruckes

Bei der Gasaufnahme in den Körper steht der Partialdruck des Inertgases (meistens Stickstoff, u. U. auch Helium bzw. ein Gemisch von beiden) in einem bestimmten Verhältnis zum Umgebungsdruck (Wasserdruck), er ist von diesem funktional abhängig. M. a. W.: Je tiefer getaucht wird und je höher der Inertgasanteil im Atemgas ist, desto höher ist der einatemseitige Inertgaspartialdruck.

Dieser vermindert sich noch geringfügig um den Dampfdruck des in der Atemluft gelösten H2O, der mit 0,063 bar (=Sättigungsdampfdruck von H2O bei der Körpertemperatur von 37°C) angesetzt wird.

Es gilt:

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Sättigungsgleichung (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Einateminertgaspartialdruck (C) Peter Rachow

piig : Einatemdruck (Inspirationsdruck) des Inertgases
psH2O : Sättigungsdampfdruck von Wasser bei T=37°C
pamb : Umgebungsdruck
fig : Anteil des Inertgases im Atemgasgemisch (bei N 2 : ~78%)

2.3 Berechnung des Inertgaspartialdruckes im Gewebe

Nach einer bestimmten Einwirkungszeit (Tauchzeit) des unter erhöhtem Umgebungsdruck eingeatmeten Inertgases ist dessen Partialdruck in den verschiedenen Körpergeweben funktional angestiegen. Die entsprechende Funktion hat dabei exponentiellen Charakter, d. h. die Aufsättigung eines Gewebes ist endlich. Sie strebt bei einer konstanten maximalen Tauchtiefe einem Endwert zu, nämlich dem Inertgaspartialdruck im Gewebe vermindert um den Dampfdruck des im Atemgas gelösten H2O (s. o.).

Wichtiges Moment hierbei ist die Halbsättigungszeit eines Gewebes, also die Zeit, nach deren Verstreichen das Gewebe noch die Hälfte des in der vorigen Zeitspanne erhaltenen Inertgaspartialdruckes aufnehmen kann.

Dieser Partialdruck eines Inertgases im Gewebe nach einer bestimmten Zeit t errechnet demnach sich zu:

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Inertgaspartialdruck als Funktion von Druck und Zeit  (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Inertgaspartialdruck als Funktion von Druck und Zeit (C) Peter Rachow

pig(tE) : Inertgaspartialdruck im Gewebe nach Expositionszeit tE .
pig(t0) : Inertgaspartialdruck im Gewebe zu Beginn der Expositionszeit tE .
piig : Einatemdruck (Inspirationsdruck) des Inertgases (siehe Gl. I)
tE : Einwirkzeit (Expositionszeit), beliebige Zeitspanne, in min.
t1/2 : Halbwertszeit des Gewebes in min.

Zentrales Element dieser Gleichung ist der Sättigungsfaktor piig – pig(t0) . Ist der Inertgaspartialdruck im Atemgas (piig) höher als der des Gewebes pig(t0) ist der Faktor positiv, es erfolgt Aufsättigung. Beim Auftauchen (Dekompression) kehrt der Sättigungsfaktor piig – pig(t0) dann sein Vorzeichen um, die abgegebene Inertgasmenge ist größer als die neu aufsättigende, die Gasspannung der Gewebe verringert sich. Ob aufgesättigt oder entsättigt wird, hängt also von der Relation von inspiratorischen zu bereits im Gewebe vorhandenem Inertgaspartialdruck ab.

Mit dieser Berechnung erhält man für jede Tauchgangsphase einen Wert für den Inertgaspartialdruck in einem bestimmten Gewebe.

Anmerkung: Bei genauer Betrachtung wird man erkennen, dass Gl. I in Gl. II enthalten ist, sowie Gl. II in Gl. III eingeht. Strengenommen könnte man also eine einzige Gleichung daraus aufstellen, was aber nicht mehr übersichtlich und nachvollziehbar wäre zumal Gl. II und Gl. getrennt gerechnet werden, um´z. B. bei einer Dekompressionssoftware den aktuellen Zustand der Gewebesättigung separat abspeichern zu können.

2.3.1 Anwenden der Formeln während der Kompressions- und Isopressionsphase

Um die Betrachtungen zu vereinfachen, teilt man einen Tauchgang in 3 Phasen auf: Abtauch- (Kompression), Grund- (Isopression) und Auftauchphase (Dekompression). Während des Abtauchens (Kompression, i. e. steigender Druck) und des Aufenthaltes auf einer bestimmten Tiefe (Isopression, iso = „gleich“, i. e. gleichbleibender Druck) sättigen sich die Gewebe mit Inertgas (i. W. Stickstoff bzw. Helium) entsprechend des inpisratorischen Inertgaspartialdruckes und ihrer Halbsättigungszeiten auf.

Um die jeweilige Aufsättigung des/der Inertgase(s) in den verschiedenen Geweben zu berechnen, müssen die Halbwertszeiten der einzelnen Teilgewebe des Körpers (Kompartimente) bekannt sein. Bühlmann hat dazu, wie beschrieben, den menschlichen Körper im Modell ZH-L16 in 16 Teilgewebe unterteilt und nennt dazu für jedes Inertgas 16 korrespondierende Halbwertszeiten, die im Bereich von 2,65 min. bis 635 min. (für N 2 ) liegen. Für Helium (He) liegen sie zwischen 1 und 240 Minuten, weil Helium aufgrund seiner geringeren Molekülgröße deutlich höhere Diffusionsgeschwindigkeiten erreicht. He hat also im Durchschnitt eine um den Faktor 2.65 geringere Halbwertszeit im Körper als Stickstoff.

Werden 2 Inertgase verwendet (z. B. N 2 und He als sog. „Trimix“) ist der Inertgaspartialdruck für die einzelnen Gase erst gesondert auszurechnen und dann für das Gewebe zu addieren. In Visual Decompression wird folgende Funktion dafür verwendet

‚Gewebepartialdrücke für Inertgas ausrechnen
Sub CalcPIOnTime(dblDepth#, dblTE#, dblN2Percent#, dblHePercent#)

Dim dblPiigN2#, dblPiigHe#
Dim T1&

For T1 = 1 To 16
dblPiigN2 = (GetWaterPressure(dblDepth) – 0.063) * dblN2Percent / 100 ‚N2
dblPiigHe = (GetWaterPressure(dblDepth) – 0.063) * dblHePercent / 100 ‚He
dblPigTN2(T1) = dblPigTN2(T1) + (dblPiigN2 – dblPigTN2(T1)) * (1 – 2 ^ (-1 * dblDecoFactor * dblTE / dblTHalfN2(T1)))
dblPigTHe(T1) = dblPigTHe(T1) + (dblPiigHe – dblPigTHe(T1)) * (1 – 2 ^ (-1 * dblDecoFactor * dblTE / dblTHalfHe(T1)))
dblPigT(T1) = dblPigTN2(T1) + dblPigTHe(T1)
Next T1

End Sub

Die Summe der Inertgaspartialdrücke zur Zeit tE (Expositionszeit) errechnet sich also als Summe der einzelnen Inertgaspartialdrücke zum Zeitpunkt tE. Man muss also für eine Dekompressionsrechnung immer alle 16 Gewebe simultan und doch isoliert voneinander betrachten.

2.4.2 Auftauch-/Dekompressionsphase

Während der Dekompression (bzw. zu deren Beginn) beginnen die schnellen Gewebe bereits zu entsättigen, da der Umgebungsdruck und damit der inspiratorische Inertgaspartialdruck nachlassen, die langsamen sättigen fallweise noch weiter auf, da diese aufgrund ihrer langen Halbsättigungszeiten immer noch einen geringeren Inertgaspartialdruck aufweisen als er auf der Einatemseite vorliegt. Während dieser Phase wird logischerweise die in 2.4.1 gezeigte Sättigungsrechnung nicht beendet sondern weiter fortgeführt. Sie läuft die ganze Zeit auch während der Oberflächenpause.

Jetzt kommt allerdings eine zweite mathematische Betrachtung hinzu: Wenn der Inertgaspartialdruck eines Gewebes nach Gleichung (II) zur Zeit t E und auf der Tauchtiefe berechnet wurde, muß nun für alle Gewebe eine weitere Gleichung angewendet werden, die den gerade tolerierten Umgebungsdruck (p.amb.tol) berechnet, bis zu dem aufgetaucht werden kann, ohne dass Gasblasen auftreten.

Diese Gleichung ist die für die eigentliche Dekompressionsphase relevante, sie lautet:

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Tolerierter Inertgaspartialdruck im Gewebe (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Tolerierter Inertgaspartialdruck im Gewebe (C) Peter Rachow

 

pamb.tol : Von einem Gewebe noch tolerierter Druck, bei dem noch keine Gasblasen auftreten.
pig(tE) : Inertgaspartialdruck im Gewebe nach Expositionszeit t E .
a, b : Die beiden verwendeten Faktoren a und b sind gewebespezifisch und stellen die mathematisch formulierte Toleranz des Gewebes gegen eine Übersättigung mit Inertgas dar. Der Faktor a ist dabei ein konstanter Druckwert in der Einheit [bar], der angibt, welchen absoluten Überdruck das Gewebe tolerieren kann, ohne dass sich freie Gasblasen bilden. b hat keine Einheit und gibt die Relation zwischen Umgebungsdruck und toleriertem Inertgaspartialdruck an. Es handelt sich folglich um den Linearfaktor einer Funktion ersten Grades der zum Ausdruck bringt, inweitet ein Gewebe bei einem bestimmten Umgebungsdruck eine definierte Gasüberspannung tolerieren kann.

Die Koeffizienten für ZH-L16 sind:

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Koeffizienten (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Koeffizienten (C) Peter Rachow

Berechnet werden Sie nach folgenden einfachen Formeln für das Modell ZH-L16:

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Koeffizient a (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Koeffizient a (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Koeffizient b (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Koeffizient b (C) Peter Rachow

In das oben erwähnte Modell ZH-L12 sind die Werte für a- und b-Parameter als empirisch ermittelte Konstanten eingegangen, allerdings werden für die 16 Gewebe nur 12 verschiedene Zahlenpaare verwendet, in ZH-L16 sind sie funktional wie oben definiert.

Mathematisch betrachtet ist der symptomlos tolerierte Inertgasüberdruck eine lineare Funktion. Löst man Gl. III nach dem Inertgasüberdruck im Gewebe auf, so erhält man eine Geradengleichung für die gilt Steigung=1/b und Y-Achsenabschnitt=a:

pig(tE) = 1/b * pamb.tol + a (IV)

Der Faktor a beschreibt dabei einen absoluten Überdruck, der immer toleriert wird, daher die Druckeinheit [bar]. b beschreibt dagegen eine lineare Beziehung von Umgebungsdruck => Tolerierter Inertgasüberdruck (p.amb => p.amb.tol). Anders formuliert: Je größer der Umgebungsdruck, desto größer wird der tolerierte Inertgasüberdruck.

Man erkennt hier übrigens die mathematischen Unsauberkeiten des Modells exemplarisch. a ist laut Bühlmann ein absoluter Druck, der immer toleriert wird. Die Einheit von a ist allerdings [bar]*[1/3.Wurzel aus min.] und nicht „bar“.

Ähnliches lässt sich auch für b beobachten: Wenn b (bzw. dessen Reziprokwert b -1 ) wie dargelegt ein Steigungsfaktor ist, müsste er eine gebrochene Einheit aufweisen, da gilt m=dy/dx. Aus der Herleitung dieses Faktors (b = 1,005 – t05 -1/2 ) ergibt sich allerdings die Einheit 1/(Wurzel aus min.) also min -1/2 . Die Konstante 1,005 ist dagegen einheitenlos.

Des Weiteren erkennt man den Kunstgriff Bühlmanns um zu verhindern, dass b jemals 0 wird. Die Konstante ist nämlich 1,005 und nicht 1,000, da sonst für ein Gewebe mit HWZ=1 min. b = 0 gelten würde. Nun gilt diese Bedingung für eine Gewebe mit der HWZ 0,9900745031064 min.

Da a und b wiederum Ergebnisse von Funktionen sind, liegt es nahe, diese graphisch darzustellen:

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Koeffizient a (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Koeffizient a (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Koeffizient b (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Koeffizient b (C) Peter Rachow

2.4.3 Die Ermittlung der Dekompressionsstufen

Um die gerade noch tolerierte Dekompressionstiefe zu errechnen, wird jeweils ermittelt, wann der Umgebungsdruck der nächsthöheren Deko-Stufe (also z. B. nach gängiger Stufung 3 m weniger Tauchtiefe als die aktuelle Dekompressionstufe) den von allen 16 Geweben höchsten noch tolerierten Umgebungsdruck gerade nicht unterschreitet. Dabei erfordert regelmäßig eines der Gewebe den höchsten noch einzuhaltenden Umgebungsdruck. Dieses jeweils „herausragende“ Gewebe wird zum sog. „Führungsgewebe“ und bestimmt, wie weit der Umgebungsdruck verringert werden kann. Es wird solange in der jeweiligen Dekompressionstiefe Tiefe verweilt, bis auf die nächste Dekompressionsstufe aufgetaucht werden kann, d. h. alle 16 Gewebe (genauer gesagt, das dann jeweils wirksame Führungsgewebe, das u. U. ein anderes sein kann als das der vorigen Stufe bzw. Zeitspanne) den dann verminderten Umgebungsdruck tolerieren können. Dabei schreitet die Entsättigung ständig fort, d. h. die Gasspannung in den Geweben wird kontinuierlich kleiner. Die Dekompressionsstufen folgen in modernen Austauchtabellen dann jeweils alle 3 m, was sich in der Praxis als angemessen erwiesen hat.

Mit weiter fortschreitender (Aus-)Tauchzeit wechselt das Führungsgewebe stetig. Während zu Beginn der Dekompression das Führungsgewebe unter den schnellen Geweben mit kurzen Halbwertszeiten zu finden ist, wird gegen Ende der Dekompression immer das jeweils nächstlangsamere Gewebe zum Führungsgewebe.

Zu den Toleranzgrenzen beim Trimix-Tauchen: Die Übersättigungstoleranzen der Gewebe (a- und b-Faktoren) sind für Stickstoff und Helium unterschiedlich. He hat geringere Halbwertszeiten als Stickstoff. Der Faktor ist 1/2,65. Dadurch steigt die Gasspannung im Gewebe beim Aufsättigen schneller als bei einem langsam diffundierenden Gas. Auch wenn He den Körper schneller wieder verlassen kann und die Toleranzwerte gegen Übersättigung etwas höher sind als bei Stickstoff, wird aufgrund der deutlich erhöhten Gasspannung, die sich im Laufe der Sättigungsphase aufbaut, die Dekompressionsphase bei einem reinen He-O 2 -Gemisch länger dauern als bei einem TG mit Luft. Hier die Werte für die Toleranzen der Gewebe bei N 2 und He:

‚ Stickstoff:

‚a und b Koeffizienten N2
dblA_N2(1) = 1.2599: dblB_N2(1) = 0.505
dblA_N2(2) = 1.0000: dblB_N2(2) = 0.6514
dblA_N2(3) = 0.8618: dblB_N2(3) = 0.7222
dblA_N2(4) = 0.7562: dblB_N2(4) = 0.7725
dblA_N2(5) = 0.6667: dblB_N2(5) = 0.8126
dblA_N2(6) = 0.5933: dblB_N2(6) = 0.8434
dblA_N2(7) = 0.5282: dblB_N2(7) = 0.8693
dblA_N2(8) = 0.4701: dblB_N2(8) = 0.891
dblA_N2(9) = 0.4187: dblB_N2(9) = 0.9092
dblA_N2(10) = 0.3798: dblB_N2(10) = 0.9222
dblA_N2(11) = 0.3497: dblB_N2(11) = 0.9319
dblA_N2(12) = 0.3223: dblB_N2(12) = 0.9403
dblA_N2(13) = 0.2971: dblB_N2(13) = 0.9477
dblA_N2(14) = 0.2737: dblB_N2(14) = 0.9544
dblA_N2(15) = 0.2533: dblB_N2(15) = 0.9602
dblA_N2(16) = 0.2327: dblB_N2(16) = 0.9653

‚ Helium:

‚a und b Koeffizienten He
dblA_He(1) = 1.7424: dblB_He(1) = 0.4245
dblA_He(2) = 1.383: dblB_He(2) = 0.5747
dblA_He(3) = 1.1919: dblB_He(3) = 0.6527
dblA_He(4) = 1.0458: dblB_He(4) = 0.7223
dblA_He(5) = 0.922: dblB_He(5) = 0.7582
dblA_He(6) = 0.8205: dblB_He(6) = 0.7957
dblA_He(7) = 0.7305: dblB_He(7) = 0.8279
dblA_He(8) = 0.6502: dblB_He(8) = 0.8553
dblA_He(9) = 0.595: dblB_He(9) = 0.8757
dblA_He(10) = 0.5545: dblB_He(10) = 0.8903
dblA_He(11) = 0.5333: dblB_He(11) = 0.8997
dblA_He(12) = 0.5189: dblB_He(12) = 0.9073
dblA_He(13) = 0.5181: dblB_He(13) = 0.9122
dblA_He(14) = 0.5176: dblB_He(14) = 0.9171
dblA_He(15) = 0.5172: dblB_He(15) = 0.9217
dblA_He(16) = 0.5119: dblB_He(16) = 0.9267

Die Ermittlung der a- und b-Faktoren bei Inertgasgemischen aus N2 und He geschieht über eine einfache Gewichtung der einzelnen Inertgasanteile im Atemgas. Bei der Berechnung der Dekompression werden diese Werte gelesen und in Relation zum momentanen Gewebeinertgaspartialdruck gesetzt:

‚ Berechnen des Umgebungsdruckes, bei dem gerade noch keine
‚ Gasblasen auftreten
Function GetAmbTolPressure#(lngFN2&, lngFHe&)

Dim T1&, a#, b#
Dim dblPambTol#, dblMaxP#
Dim dblFN2#, dblFHe#

dblMaxP = 0
dblFN2 = lngFN2 / 100 + 0.001
dblFHe = lngFHe / 100 + 0.001

For T1 = 1 To 16
a = (dblA_N2(T1) * dblFN2 + dblA_He(T1) * dblFHe) / (dblFN2 + dblFHe)
b = (dblB_N2(T1) * dblFN2 + dblB_He(T1) * dblFHe) / (dblFN2 + dblFHe)
dblPambTol = (dblPigT(T1) – a) * b
If dblPambTol > dblMaxP Then
dblMaxP = dblPambTol
End If
Next T1

GetAmbTolPressure = dblMaxP

End Function

Diskussion: Muss die Dekompressionsrechnung immer in Form einer Iteration erfolgen?

Wie hier gezeigt wird, ist ein iterativer Ansatz relativ leicht in einem Computerprogramm zu implementieren. Wenn genug Rechenleistung zur Verfügung steht ist dies sicher immer eine tragfähige Lösung, zumindest für PC-basierte Dekompressionsprogramme. Glücklicherweise haben moderne Mikrocontroller in Verbindung mit modernen Compilern zwar gute Fähigkeiten in Gleitkommarithmetik, es kann aber u. U. sein, dass die Rechenleistung beilangen Dekompressionszeiten und einer hohen Gewebezahl doch relativ lange ausfallen. In diesem Falle läge es nahe, nicht eine Iteration zu programmieren sondern die Gleichungen entsprechnd umzuformen und die Expositionszeit auf einer gegebenen Dekompressionsstufe, die nötig ist, um regelgerecht zu dekomprimieren, direkt zu berechnen. Es sind hierbei zwar infolge der Gewebezahl auch noch iterative Elemente erforderlich, sie werden jedoch weniger relevant da die Hauptrechenarbeit wegfällt.

Folgender Ansatz führt theoretisch zu einer weitgehend iterationsfreien Lösung:

  • Einsetzen von Gl. II in III
  • Logartihmieren der Gleichung und Auflösen nach der Expositionszeit

Wie dabei genau vorzugehen ist, steht weiter unten zu lesen, denn bei der Berechnung der Nullzeit wird dieses Verfahren angewandt. Da aber fallweise Konstellationen denkbar sind, die dazu führen, dass die Gleichungen in der logarithmierten Form nicht (oder nicht eindeutig) lösbar sind, stellt dieses Verfahren keinen universell anwendbaren Ersatz für die Iteration dar. Leider.

2.5 Die Berechnung der Nullzeit

Auch die Berechnung der sog. Nullzeit , also die Zeit, bis zu der man bei einer bestimmten Auftauchgeschwindigkeit bis zur Oberfläche (i. e. ca. 1 bar Umgebungsdruck) austauchen kann ohne dabei Dekompressionstopps einhalten zu müssen, kann man mit dem Bühlmannmodell vorgenommen werden.

Selbstredend könnte man die Berechnung der Nullzeit für eine gegebene Situation (Gewebesättigung, inpiratorischer Inertgaspartialdruck) auch iterativ (mit einer Schleifenberechnung) lösen. Eleganter geht es allerdings, wenn man die Mathematik des Bühlmannmodells zugrunde legt und sich der in den Gleichungen enthaltenen Definitionen bedient. Wir gehen dabei davon aus, dass die Expositionszeit so berechnet werden kann, dass, wenn man als p.amb.tol aus Gl III den Umgebungsdruck an der Oberfläche (i. e. den Luftdruck) einsetzt, die kürzeste Nullzeit aller 16 Gewebe das gesuchte Rechenergbenis sein wird.

Zuerst wird also Gleichung III nach p.i.g (Inertgaspartialdruck, i. e. Sättigungszustand des Gewebes) umgeformt:

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Nullzeit (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Nullzeit (C) Peter Rachow

 

Anschließend werden beide Gleichungen gleichgesetzt (ab der 2. Zeile in unten stehender Herleitung) und nach der Expositionszeit tE aufgelöst. Dazu verwendet man einen Logarithmus, da gilt log(nx) = x * log(n) . Dieser Logarithmus wird später dann leider allerdings zum Stolperstein in besonderen Fällen (siehe unten).

Zuerst schreibt man die Sättigunsgleichung (1. Zeile), dann folgt durch Gleichsetzen von der oben aufgelösten Gl III und Umformen bzw. Auflösen nach t E

 

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Gleichungsumformung (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Gleichungsumformung 1 (C) Peter Rachow

Nach dem oben vorgenommenen beidseitigen Logarithmieren und weiterem Umformen ergibt sich:

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Gleichungsumformung (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Gleichungsumformung 2 (C) Peter Rachow

tE wird dann:

 

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus - Gleichungsumformung (C) Peter Rachow

Bühlmann-Dekompressionsalgorithmus – Gleichungsumformung 3 (C) Peter Rachow

Diese dargestellte Rechnung wird auf alle 16 Gewebe angewandt, die kürzeste Nullzeit bestimmt die Gesamtnullzeit. Am besten bindet man diese Gleichung softwaretechnisch in eine Schleifenstruktur ein:

int calc_ndt()
{
int dp; /* Wassertiefe in m */
int t1, t0min = 999;
float piigN2, te, x, airpressure = 1.001; /* airpressure: Luftdruck in bar */

for(t1 = 0; t1 < 16; t1++)
{
piigN2 = (dp / 10 + airpressure – 0.0627) * FN2;
x = -1 * (((airp / bN2[t1] + aN2[t1] – piN2[t1]) / (piigN2 – piN2[t1])) – 1);
if(x > 0)
{
te = -1 * log(x) / log(2) * t05N2[t1];
if(te < t0min)
t0min = te;
}
}
return t0min;
}

Ein Problem stellt sich dabei, wie bereits vorstehend kurz angedeutet, in Zusammenhang mit Nullzeiten in geringen Tiefen (unter 10 m) bzw. unter bestimmten Sättigungszuständen (p.i.g). Abhängig von den Gegebenheiten wird der Ausdruck im Argument des Logarithmus des Zählers fallweise negativ, d. h. eine Nullzeitenberechnung ist für diese Fälle nicht möglich.

Dieser Artikel erschien 2004 auf meiner Webseite http://www.peter-rachow.de. Alle Rechte beim Autor.